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Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb.
Karl Kraus
Sie sagte sich innerlich: Ich schlafe mit dir, ja! Doch um Himmels Willen keine Vertraulichkeiten.
Die Zeiten starben am Fett oder an der Auszehrung. Die hier will den Tod durch eine überernährte Armut foppen.
Die Prostitution des Leibes teilt mit dem Journalisten die Fähigkeit, nicht empfinden zu müssen, hat aber vor ihm die Fähigkeit voraus, empfinden zu können.
Wenn ein Gedanke in zwei Formen leben kann, so hat er es nicht so gut wie zwei Gedanken in einer Form.
Einen Aphorismus kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Es würde zu lange dauern.
Verschiedentlich hat man den Eindruck, daß manche Ärzte des Fachgebietes Psychiatrie schon durch ihr Aussehen dem psychiatrischen Patienten eine gewisse "Gesprächsangst" nehmen wollen.
Die Weiber sind nie bei sich und wollen darum, daß auch die Männer nicht bei sich seien, sondern bei ihnen.
Gedanken sind zollfrei, aber man hat doch Scherereien.
Der Historiker ist nicht immer ein rückwärts gekehrter Prophet, aber der Journalist ist immer einer, der nachher alles vorher gewusst hat.
Die Rechtsstellung des Zuhälters in der bürgerlichen Gesellschaft ist noch nicht geklärt. Er ist ihr Auswurf. Denn er achtet, wo geächtet wird; er beschützt, wo verfolgt wird. Er kann für seine Überzeugung auch Opfer bringen. Wenn er jedoch für seine Überzeugung Opfer verlangt, fügt er sich in den Rahmen einer Gesellschaftsordnung, die zwar dem Weib die Prostitution nicht verzeiht, aber die Korruption dem Manne.
Das ist eben der Unterschied der Geschlechter: die Männer fallen nicht immer auf einen kleinen Mund herein, aber die Weiber immer auf die große Nase.
Die Aufgabe der Religion: die Menschheit zu trösten, die zum Galgen geht. Die Aufgabe der Politik: Sie lebensüberdrüssig zu machen; die Aufgabe der Humanität: ihr die Galgenfrist zu verkürzen und die Henkersmahlzeit gleich zu vergiften.
Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben.
Die Huren auf der Straße benehmen sich so schlecht, dass man daraus auf das Benehmen der Bürger im Hause schließen kann.
Es gibt Schriftsteller, die schon in zwanzig Seiten ausdrücken können, wozu ich manchmal sogar zwei Zeilen brauche.
Der Dilettantismus ist ebenso untüchtig wie die Kunst. Wenn er sich nicht mit der Geldgier verbündet hätte, würde das Publikum auch von ihm nichts wissen.
Nichts da, ich bin kein Raunzer; mein Haß gegen diese Stadt ist nicht verirrte Liebe, sondern ich habe eine völlig neue Art gefunden, sie unerträglich zu finden.
Der Unterschied zwischen der alten und der neuen Seelenkunde ist der, daß die alte über jede Abweichung von der Norm sittlich entrüstet war und die neue der Minderwertigkeit zu einem Standesbewußtsein verholfen hat.
Ich lasse mich nicht hindern zu gestalten, was mich hindert zu gestalten.
Was hat Sprung ohne Ursprung? Was ist haltloser und ungreifbarer, grundloser und unberechenbarer als das Gerücht? Die Zeitung. Sie ist der Trichter für den Schall.
Es gibt eine Originalität aus Mangel, die nicht imstande ist, sich zur Banalität emporzuschwingen.
Wenn dir etwas gestohlen wurde, geh nicht zur Polizei, die das nicht interessiert, und nicht zum Psychologen, den daran nur das eine interessiert, daß eigentlich du etwas gestohlen hast.
Das sind die wahren Wunder der Technik, dass sie das, wofür sie entschädigt, auch wirklich kaputt macht.
Perversität ist die Gabe, Vorstellungswerte und Empfindungen zu einem Ideal zu summieren.
Ich habe um mancher guten Entschuldigung willen gesündigt; darum wird mir verziehen werden.
Wo weder zum Weinen Kraft ist noch zum Lachen, lächelt der Humor unter Tränen.
Die Zeitungen haben zum Leben annähernd dasselbe Verhältnis, wie die Kartenaufschlägerinnen zur Metaphysik.
Seine Überzeugung ging ihm über alles, sogar über das Leben. Doch er war opfermutig, und als es dazu kam, gab er gern seine Überzeugung für sein Leben hin.
Das Hauptwort ist der Kopf, das Zeitwort ist der Fuß, das Beiwort sind die Hände. Die Journalisten schreiben mit den Händen.
Was die Lehrer verdauen, das essen die Schüler.
Als normal gilt, die Virginität im allgemeinen zu heiligen und im besonderen nach ihrer Zerstörung zu lechzen.
Der achtstündige Arbeitstag: das übrige gehöre der Kultur. Und ihr glaubt, daß sie auf das Geschäft eingehen wird?
Erröten, Herzklopfen, ein schlechtes Gewissen: das kommt davon, wenn man nicht gesündigt hat.
Die Menschheit stempelt seit Jahrhunderten die Ausübung der Weiberrechte zur Schande. Jetzt muss sie sich die Ausübung der Frauenrechte gefallen lassen.
Wie rächen sich die Zwerge An den Riesen? Sie machen sich über die Berge Oder Psychoanalysen.
Sie behandeln eine Frau wie einen Labetrunk. Dass die Frauen Durst haben, wollen sie nicht gelten lassen.
Der Kommis sagt, ich sei eitel. In der Tat, meine Unsicherheit macht mich eitler als den Kommis seine Position.
Ein Agitator ergreift das Wort. Der Künstler wird vom Wort ergriffen.
Das Vollweib betrügt, um zu genießen. Das andere genießt, um zu betrügen.
Es besteht der Verdacht, daß die ganze moderne Kunst von Nebenwirkungen lebt. Die Schauspielerei von Mängeln, die Musik von Nebengeräuschen.
Die Phrase ist manchmal doch einer gewissen Plastik fähig. Von einem Buch, das als Reiselektüre empfohlen wurde, hieß es: Und wer das Buch zu lesen beginnt, liest es in einem Zuge durch.
Wenn ich mir die Haare schneiden lasse, so bin ich besorgt, daß der Friseur mir eine Gedankenkette durchschneidet.
Der sexuelle Mann sagt: Wenn es nur ein Weib ist! Der erotische sagt: Wenn es doch ein Weib wäre!
Es gibt zwei Arten von Schriftstellern. Solche, die es sind, und solche, die es nicht sind. Bei den ersten gehören Inhalt und Form zusammen wie Seele und Leib, bei den zweiten gehören Inhalt und Form zusammen wie Leib und Kleid.
Welch sonderbarer Aufzug! Sie geht hinter ihm, wie eine Leiche hinter dem Leidtragenden.
Die Ideensumme eines literarischen Aufsatzes sei das Ergebnis einer Multiplikation, nicht einer Addition.
Die Demokratie teilt die Menschen in Arbeiter und Faulenzer. Für solche, die keine Zeit zur Arbeit haben, ist sie nicht eingerichtet.
Ein Gourmet sagte mir: was die Crême der Gesellschaft anlange, so sei ihm der Abschaum der Menschheit lieber.
Der Sinn nahm die Form, sie sträubte und ergab sich. Der Gedanke entsprang, der die Züge beider trug.