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Wie Schönheit zustandekommt – das weiß die Nachbarin. Wie Genie entsteht – das weiß sie auch, die Analyse.
Karl Kraus
Einem Raubvogel Tief in mein Innres reichen seine Krallen: Er stiehlt schon, was mir noch nicht eingefallen.
Die Entwicklung der Technik ist bei der Wehrlosigkeit vor der Technik angelangt.
Ein Weib ohne Spiegel und ein Mann ohne Selbstbewußtsein – wie sollten die sich durch die Welt schlagen?
Heutzutage ist der Dieb vom Bestohlenen nicht zu unterscheiden: beide haben keine Wertsachen bei sich.
Ein Buch kann darüber täuschen, ob es die Weltanschauung des Autors bietet oder eine, die er bloß vertritt. Ein Aphorismus ist die Probe, ob man eine hat.
Der Journalismus ist ein Terminhandel, bei dem das Getreide auch in der Idee nicht vorhanden ist, aber effektives Stroh gedroschen wird.
In einen hohlen Kopf geht viel Wissen.
Das Leben geht weiter. Als es erlaubt ist.
Die Kunst ist dem Philister der Aufputz für des Tages Müh' und Plage. Er schnappt nach den Ornamenten, wie der Hund nach der Wurst.
Wenn die Eltern schon alles aufgebaut haben, bleibt den Söhnen und Töchtern nur noch das Einreißen.
Das Chaos sei willkommen, denn die Ordnung hat versagt.
Die Welt der Beziehungen, in der ein Gruß stärker ist als ein Glaube und in der man sich des Feindes versichert, wenn man seine Hand erwischt, hält die Abkehr von ihrem System für Berechnung, und wenn sie den Herkules nicht geradezu verachtet, weil er sich und dreitausend Rindern das Leben schwer macht, so forscht sie nach seinen Motiven und fragt: Was haben Sie gegen den Augias?
Man kann über eine Null ein Buch schreiben, der man mit einer Zeile zu viel Ehre erwiese.
Krieg – das ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.
In der Kunst kommt es nicht darauf an, daß man Eier und Fett nimmt, sondern daß man Feuer und Pfanne hat.
Wenn einer sich wie ein Vieh benommen hat, sagt er: Man ist doch auch nur ein Mensch! Wenn er aber wie ein Vieh behandelt wird, sagte er: Man ist doch auch ein Mensch!
Ein Gedankenstrich ist zumeist ein Strich durch den Gedanken.
Ich weiß ganz genau, welche ungebetenen Gedanken ich nicht über die Schwele meines Bewußtseins lasse.
Wenn eine Kultur sich am Ende befindet, ruft sie nach den Priestern.
Es gibt Vorahmer von Originalen. Wenn zwei einen Gedanken haben, so gehört er nicht dem,der ihn früher hatte, sondern dem, der ih besser hat.
Manche haben den Größenwahn verrückt zu sein und sind nur untergeschnappt.
Dieser Autor ist so tief, daß ich als Leser lange gebraucht habe, ihm auf die Oberfläche zu kommen.
Die Dorfbarbiere haben einen Apfel, den stecken sie allen Bauern ins Maul, wenn's ans Barbieren geht. Die Zeitungen haben das Feuilleton.
Das österreichische Leben hat eine Entschädigung: Die schöne Leich.
Den Inhalt einer Frau erfaßt man bald. Aber bis man zur Oberfläche vordringt!
Die Ehre ist der Wurmfortsatz im seelischen Organismus. Ihre Funktion ist unbekannt, aber sie kann Entzündungen bewirken. Man soll sie getrost den Leuten abschneiden, die dazu inklinieren, sich beleidigt zu fühlen.
Was ist ein Historiker? Einer, der zu schlecht schreibt, um an einem Tagesblatt mitarbeiten zu können.
Ich schlafe nie nachmittags. Außer, wenn ich vormittags in einem österreichischen Amt zu tun hatte.
Mit dem Dieb ist auch der Eigentümer entlarvt.
Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen.
Von meiner Stadt verlange ich: Strom, Wasser und Kanalisation. Was die Kultur anbelangt, die besitze ich bereits.
Was mich immer tief alteriert hat, das ist die Selbstverständlichkeit, mit der die meisten Menschen ihr Gesicht tragen.
Meine Leser glauben, daß ich für den Tag schreibe, weil ich aus dem Tag schreibe. So muß ich warten, bis meine Sachen veraltet sind. Dann werden sie möglicherweise Aktualität erlangen.
Man lebt nicht einmal einmal.
Sie sagte, sie lebe so dahin. Dahin möchte ich sie begleiten!
Die Nächstenliebe ist nicht die beste, aber immerhin die bequemste.
Früher war ich oft amoralisch entrüstet. Aber die Sittlichkeit nimmt rings überhand, und man gibt es auf.
Mit den Rechnerinnen der Liebe kommt man schwer zum Resultat. Sie fürchten entweder, daß eins und eins null gibt, oder hoffen, daß es drei geben wird.
Die Welt ist ein Gefängnis, in dem Einzelhaft vorzuziehen ist.
Ich habe es so oft erlebt, dass einer, der meine Meinung teilte, die größere Hälfte für sich behielt, dass ich jetzt gewitzt bin und den Leuten nur noch Gedanken anbiete.
In jedem Fall gehören die Ähnlichkeiten zu den mißlichsten Komplikationen des Lebens.
Eine Moral, welche aus der Gelegenheit ein Geheimnis gemacht hat, hat auch aus dem Geheimnis eine Gelegenheit gemacht.
Der Witz ist das Erdgeschoß des Humors, die Satire der erste Stock, die Ironie der zweite, der Sarkasmus das Mansardenstübchen.
Schmerzlichstes Abbild der Zivilisation: ein Löwe, der die Gefangenschaft gewohnt war und, der Wildnis zurückgegeben, dort auf und ab geht wie vor Gitterstäben.
Wie unperspektivisch die Medien die Symptome einer Krankheit beschreibt! Sie passen immer auch zu den eingebildeten Krankheiten.
Man verachte die Leute, die keine Zeit haben. Man beklage die Menschen. Aber die Männer, die keine Zeit zur Arbeit haben, die beneide man!
Die Gesellschaftsordnung ist Control-sexual veranlagt.
Sexuelle Aufklärung ist insoweit berechtigt, als die Mädchen nicht früh genug erfahren können, wie die Kinder nicht zur Welt kommen.
Die Unsterblichkeit ist das einzige, was keinen Aufschub verträgt.