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Wenn man es nicht kann, dann ist ein Roman noch leichter zu schreiben als ein Aphorismus.
Karl Kraus
Es gibt mehr Dinge zwischen Quinta und Sexta, als eure Schulweisheit sich träumen läßt.
Der Unechte glaubt an keine Echtheit. Und glaubt er, er würde nicht begreifen, wie man echt sein könne, in einer Zeit, in der es wirklich niemand nötig hat, echt zu sein.
Jeder Erotiker schafft das Weib immer wieder aus der Rippe eines Menschen.
Die Technik: Automobil im wahren Sinn des Wortes. Ein Ding, das sich nicht nur ohne Pferd, sondern auch ohne den Menschen fortbewegt. Nachdem der Chauffeur den Wagen angekurbelt hatte, wurde er von ihm überfahren. Nun geht es so weiter.
Wie? die Menschheit verdummt zugunsten des maschinellen Fortschrittes, und wir sollten uns diesen nicht einmal zunutze machen? Sollten mit der Dummheit Zwiesprache halten, wenn wir ihr in einem Automobil entfliehen können?
Der Erzähler unterscheidet sich vom Politiker nur dadurch, daß er Zeit hat. Gemeinsam ist beiden, daß die Zeit sie hat.
Der Judaskuss, den die christliche Kultur dem menschlichen Geiste gab, war der letzte Geschlechtsakt, den sie gewährte.
Der Ästhet ist der rechte Realpolitiker im Reich der Schönheit.
Gestehen wir es uns nur ein, die Menschheit ist seit der Einführung der Menschenrechte auf den Hund gekommen.
Wenn ich die Verlorenheit der Welt an ihren Symptomen beweise, so kommt immer ein Verlorener, der mir sagt: Ja, aber was können die Symptome dafür? Die müssen ja doch und tun's selbst nicht gern! – Ach, ich tu's auch nicht gern und muß doch.
Die Furcht vor der Presse ist bei Schauspielern kein Laster, sondern eine Eigenschaft.
An einem wahren Porträt muß man erkennen, welchen Maler es vorstellt.
Am Ursprung gibts kein Plagiat.
Ich verlange von einer Stadt, in der ich leben soll: Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst.
Der eine schreibt, weil er sieht, der andere, weil er hört.
Der Scharfsinn der Polizei ist die Gabe, alle Menschen eines Diebstahls für fähig zu halten, und das Glück, dass sich die Unschuld mancher nicht erweisen lässt.
Im Anfang war die Presse und dann erschien die Welt. Im eigenen Interesse hat sie sich uns gesellt. Nach unserer Vorbereitung sieht Gott, daß es gelingt, und so die Welt zur Zeitung er bringt. Sie lesen, was erschienen, sie denken, was man meint. Noch mehr läßt sich verdienen, wenn etwas nicht erscheint.
Fürs Kind. Man spielt auch Mann und Weib fürs Kind. Das ist noch immer der wohltätige Zweck, zu dessen Gunsten die Unterhaltung stattfindet und vor dem selbst die Zensur ein Auge zudrückt.
Wer die Geliebte die Geliebte nenne, müsse auch den Mut haben, die Ehefrau die Ungeliebte zu nennen.
Ob sündig oder sittenrein? Ob lebend oder schon begraben? Sonst teilt ihr sie doch in Gefallene ein Und solche, die nicht gefallen haben.
Je länger man ein Wort anschaut, desto fremder schaut es zurück.
Vielleicht ginge es besser, wenn die Menschen Maulkörbe und die Hunde Gesetze bekämen, wenn die Menschen an der Leine und die Hunde an der Religion geführt würden. Die Hundswut könnte in gleichem Maße abnehmen wie die Politik.
Die Schriftgelehrten können noch immer nur von rechts nach links lesen: sie sehen das Leben als Nebel.
Aufregen kann ich sie alle. Jeden einzelnen zu beruhigen, geht über meine Kraft.
Der "starre Buchstabe des Gesetzes"? Das Leben selbst ist zum Buchstaben erstarrt, und was bedeutet neben solchem Zustand die Leichenstarre der Gesetzlichkeit!
Keine Gedanken haben und unfähig sein, sie auszudrücken: das ist Journalismus.
Die Phrase und die Sache sind eins.
Der Nationalismus ist ein Sprudel, in dem jeder andere Gedanke versintert.
Enthaltsamkeit rächt sich immer. Bei dem einen erzeugt sie Wimmerln, beim anderen Sexualgesetze.
Das Wesen eines Diplomaten setzt sich aus zwei Vorstellungen zusammen: Dejeuner und Courtoisie. Was darüber ist, das ist von Übel.
Der Wert der Bildung offenbart sich am deutlichsten, wenn die Gebildeten zu einem Problem, das außerhalb ihrer Bildungsdomäne liegt, das Wort ergreifen.
Dass Bäcker und Lehrer streiken, hat einen Sinn. Aber die Aufnahme der leiblichen oder geistigen Nahrung verweigern, ist grotesk. Wenn es nicht etwa deshalb geschieht, weil man sie für verfälscht hält. Die lächerlichste Sache von der Welt ist ein Bildungshungerstreik. Ich stimme schon für die Sperrung der Universitäten; aber sie darf nicht durch einen Streik herbeigeführt werden. Sie soll freiwillig gewährt, nicht ertrotzt sein.
Die Effektschauspieler sind von den Defektschauspielern verdrängt worden.
Die wirklich gefährlichen Heuchler heucheln Desinteresse.
Vorschläge, um mich dieser Stadt wieder zu gewinnen: Änderung des Dialekts und Verbot der Fortpflanzung.
Nicht grüßen genügt nicht. Man grüßt auch Leute nicht, die man nicht kennt.
Die wahre Treue gibt eher einen Freund preis als einen Feind.
Der Autor, der fremde Kostüme ausklopft, kommt dem stofflichen Interesse von der denkbar bequemsten Seite bei. Der geistige Leser hat deshalb das denkbar stärkste Misstrauen gegen jene Erzähler, die sich in exotischen Milieus herumtreiben.
Die Frau braucht in Freud' und Leid, außen und innen, in jeder Lage den Spiegel.
Ich muß den Ästheten eine niederschmetternde Mitteilung machen: Alt-Wien war einmal neu.
Für den Nachteil des Mannes, nicht immer erhören zu können, wurde er mit der Feinfühligkeit entschädigt, die Unvollkommenheit der Natur in jedem Falle als eine persönliche Schuld zu empfinden.
Das erotische Vergnügen ist ein Hindernisrennen.
Bestimmung führt die Frau dem ersten zu. Zufall dem besten. Wahl dem ersten besten.
Nichts ist trauriger als Niedrigkeit, die ihren Lohn nicht erzielt hat. Sie bilde sich nachträglich nicht ein, daß sie Gemeinheit l'art pour l'art sei.
Wenn ein Fürst geehrt werden soll, werden die Schulen geschlossen, wird die Arbeit eingestellt und der Verkehr unterbunden.
Der Satire Vorstellungen machen, heißt die Verdienste des Holzes gegen die Rücksichtslosigkeit des Feuers ins Treffen führen.
Mancher rächt an einer Frau durch Gemeinheit, was er durch Torheit an ihr gesündigt hat.
Sollte man, bangend in der Schlachtordnung des bürgerlichen Lebens, nicht die Gelegenheit ergreifen und in den Krieg desertieren?
In der erotischen Sprache gibt es auch Metaphern. Der Analphabet nennt sie Perversitäten. Er verabscheut den Dichter.