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Im Unterschied zum Fortschrittsgedanken ist christlicher Glaube nicht optimistisch.
Kurt Marti
Die christliche Utopie meint die Herrschaft der Liebe. Dennoch bleibt diese Utopie in bezug auf unsere Weltzeit realistisch: sie verkündet die Liebe als eine gekreuzigte.
War ich feige aus Müdigkeit? Oder war Feigheit der Grund meiner Müdigkeit? Wie auch immer: ich log.
Wir Väter, dazu verdammt, unseren Kindern das Über-Ich aufzubürden: deswegen sind wir (welch zweifelhafte Ehre) so unentbehrlich für Staat und Gesellschaft.
Von Redlichen redet man nicht. Sie schweigen, während andere von sich reden machen.
Gott? Jener Große, Verrückte, der noch immer an Menschen glaubt.
Morgen Erster Gedanke nach dem Erwachen: Schon wieder heute?
Mitunter geschieht's, daß ich heute fürchte, was ich gestern wünschte – selten umgekehrt.
In Tyrannum Wenn Gott ein Tyrann ist, muß man ihn stürzen. Sein Sturz wird zugleich zeigen, daß der Tyrann nicht Gott war, vielmehr ein Popanz tyrannisch Gesinnter, tyrannisch Gewillter.
Sie ist nur noch ein Schatten, der ihren Verhängnissen folgt.
Gott, so denkt man oft, so verkünden Eiferer lauthals, sei Antwort. Spröder sagt die Bibel, daß er Wort sei. Und wer weiß, vielleicht ist er meistens Frage: die Frage, die niemand sonst stellt.
Nach dem Tode? Wenn Gott will, daß nach dem Tode nichts ist, ist "nichts" gut. Wenn er will, daß etwas ist, ist "etwas" gut.
Älter als "Schriftsteller" ist der Begriff "Autor", lateinisch "auctor". Zu Grunde liegt ihm das Verbum "augere", vermehren. Autoren, Vermehrer also – von Wörtern? Gedanken? Büchern? Und gleich hat man die gräßliche Frankfurter Buchmesse vor Augen.
Noch immer spricht Hoffnung aus dem Satz, daß Gott kein Macher, sondern ein Schöpfer ist.
Jesus lehrt, den Mitmenschen realistisch anzunehmen, so wie er ist, und ihn dennoch in der Perspektive seiner Möglichkeiten, d.h. in Hoffnung, zu sehen.
Schonungsloser als Wünsche stellen Begierden uns bloß
Wo kämen wir hin, wenn alle sagten: Wo kämen wir hin! und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?
Daß das Weltall finster, daß es schwarz sei, mache ihm Angst, vertraute ein alter Mann mir an. Meine Einfühlung ließ mich im Stich. Mir ist die Finsternis des Alls schnuppe. Ich habe nicht die Absicht, astronautische oder postmortale Ausflüge dorthin zu unternehmen.
Denken, man weiß es, braucht Zeit. Zeit aber ist – heute jedenfalls – Geld. Also braucht Denken Geld. Doch will das Geld nicht, daß gedacht wird.
Die Probleme der Welt sind nicht lösbar durch eine Menschheit, die selber das größte Problem dieser Welt ist. Bleibt somit nur die Radikalalternative von Maurice Chappaz: So man die Natur erhalten will, muß man den Menschen töten?
Moralisten Moralisten, die etwas taugen, sind es mit Unlust, denn Moralist sein verdirbt den Charakter. Noch mehr freilich wird dieser geschädigt durch eine Moral, deren Verlogenheit zu entlarven die Aufgabe der Moralisten bleibt.
Ich glaube nicht, dass es einen voraussehbaren Weg gibt. Der Weg kommt, indem wir gehen.
Konfektion eben: sie paßt für alle ein bißchen, für niemanden ganz. Wie die Moral.
Nur ein Narr wird den Ort unter der Hintertreppe für eine der Vorstädte Gottes halten. Noch kauern wir hier im Staub, im Abfall unserer Schuld.
Der Himmel, der kommt, das ist die fröhliche Stadt und der Gott mit dem Antlitz des Menschen.
Zukunft sollen wir bauen? Viele fordern das jetzt. Doch hierbei denken manche bloß an die künftige Sicherung ihrer jetzigen Privilegien. Andere, forschere, bauen, so fürchte ich, Zukunft wie ein Unfall.
Am Anfang war die Zukunft. Dann häuften sich Erinnerungen. Am Ende räumt Vergessen auf.
Die Kirche ist auch für die Arbeiter da, sagte der Pfarrer. Niemand hatte etwas dagegen. Nur war in der Kirche, wie meistens, kein Arbeiter da.
Meinungsmacher verwenden die Meinung, die sie uns machten, hernach oft dazu, eine Politik zu machen, die wir nicht meinten.
Vermutung Ein Gott, der kirchenförmig gedacht wird, hindert die Kirche daran, gottesförmig zu denken.
Sie gehe, sagt sie, ins Kino, um über fremdes Elend weinen zu können. Längst habe ihr eigenes keine Tränen mehr.
Armbrustzeichen Das Eigenschaftswort "schweizerisch" meint eine spezifische Art, mit unseren Problemen nicht fertig zu werden.
Warum Warum schreiben Sie? Auf diese Frage kann ich in zwei Varianten nur immer dieselbe Antwort geben: a) Ich folge einem Schreibtrieb. b) Ich leide an einem Schreibtrieb Was sonst noch an Erklärungen, Begründungen, Rechtfertigungen vorzubringen wäre, sind Halbwahrheiten a posteriori
Im Schlaf nutzt der Körper die Abwesenheit des stets betriebigen und umgetriebenen Ichs, um die Schäden auszubessern, die dieses tagsüber angerichtet hat.
Wer nicht Wurzeln hat, wächst in keine Zukunft. Wer eigenen Wurzeln aber nie entwächst, entfaltet sich nicht zum Neuen, zum Baum.
Einschlafen als Ertrinken, einschlafen als Entfliegen.
Wüßte man, was Liebe ist, gäb's weder Religion noch Dichtung.
Einander wortverwandt: Treue und trauen vertrauen. Auch "Trauer" vielleicht?
Dank dir, Bruder Unschlaf, der du mich mit alten Bildern und neuen Geschichten unterhältst.
Und wieder das Gefühl, im Simulator meines eigenen Lebens zu sein. Aber bitte, es geht mir recht gut dabei, fast besser als ohne dieses Gefühl.
Je weniger "Treu und Glauben", desto mehr Gesetze, Vorschriften, desto mehr Kontrolle und Bürokratie, desto mehr Unsicherheit, Mafiosität aber auch.
Stummheit, diese Festung. Wer redet, verläßt sie und macht sich verwundbar.
Für die Bourgeoisie ist Religion der Vorhang, der in ihren Tempeln das Allerheiligste, das Bild des Gottes Mammon verbirgt.
Nie aber weiß man genau, was man denkt, bevor man nicht versucht hat, darüber zu reden.
Die Konjugation hat recht: ohne Ich kein Du, kein Er, keine Sie usw. Nichts ist, wo nicht Ichs sind.
Sachzwang frißt Menschenfleisch.
Die Ackergäule von ehedem: Pfleglich fast prägten sich ihre Huftritte der Erde ein, ohne ihr weh zu tun. Heute walzen Maschinen die Böden platt.
Daran, daß wir für andere wie für uns selbst nicht eingelöste Versprechen sind, sterben wir auch.
Werden wir, was wir wünschen? Wünschen wir, was wir werden?
Bete und arbeite, sagte Benedikt von Nursia. Mach auch die Arbeit zum Gebet, sagte Luther. Bete um Arbeit, sagte Pfarrer N. zum Arbeitslosen.