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Wir sind das Volk. Wo ist das Volk? Im Supermarkt gehört man dazu.
Kurt Marti
Durchreise Gott reist durch – durch uns hindurch. Vielleicht läßt er etwas mitlaufen von uns?
Hoffnung, ob christlich, ob sozialistisch: wenn zahnlos geworden, setzt sie ein Dogma als Kunstgebiß ein und säubert es täglich im Wasserglas der Ideologie.
Durch stillere Wege, durch Gärten irrt eine versäumte Liebkosung.
Herr Schweizer Sogleich nach seinem Eintritt in den Himmel erkundigt er sich nach dem dortigen Auslandschweizerverein.
Sonne Die uns sehen läßt ist selber blind.
Unentwegt stacheln Wirtschaft und Schulen den, wie sie sagen, "gesunden" Ehrgeiz an. Als wäre Ehrgeiz etwas anderes als eben – Geiz, d. h. verweigerte Solidarität. Deswegen ist, wie Martin Buber in einem Gespräch bemerkte, Erfolg keiner der Namen Gottes.
Noch der Vorsatz, aufrichtig zu sprechen, zu schreiben, bedient sich der Grammatik eingebürgerter Unaufrichtigkeiten.
Ostern, Neuzeit: Christus lebt, die Hasen sterben aus.
Wie auch immer: Eines Tages nimmt der Tod uns der Zeit ab, so daß diese, um uns erleichtert, mit frischem Elan weitergehen kann.
Wie leicht, ach, gerät man doch zwischen die eine Angst, daß etwas passieren könnte, und die andere Angst, daß es nicht passieren könnte.
Da Gott verschiedene Kostgänger hat, mußte er auch Diätkoch werden. Seine Schonkost wird vornehmlich in Kirchen serviert.
Oft laufen mir Überzeugungen wortlos davon. Behaglich breitet sich der anarchische Reichtum der Unordnung wieder aus.
Selbst das Gebot, sich von Gott kein Bild zu machen, enthält bereits ein solches, nämlich das eines männlichen Gottes.
Das Bestehende, wie manche es rühmen und verteidigen, ist, sieht man näher zu, die Lizenz zur weiteren Zerstörung dessen, was besteht.
Unerbittlich zerstören Nutzen und Nutzung diesen Planeten. Das Nutzlose allein hat noch Erbarmen mit uns.
Ich schreibe, also bin ich. Ich werde gelesen, also bin ich nicht allein.
Zeit vollendet sich in jedem Augenblick.
Heillos gesund überlebt der kirchliche Apparat das Verschwinden Gottes aus ihm. Er hat es nicht einmal bemerkt.
Im Althochdeutschen bedeutet "Arbeit": Mühsal, Plage, Beschwerde, Leid. Das spanische "trabajo", das portugiesische "trabalho" leiten sich vom "tripalium" ab, einem Folterwerkzeug mit drei Stöcken, mit dem Sklaven "bearbeitet" wurden. Auch das altfranzösische "travail" bedeutete ursprünglich "Folter".
Wo Gott kein Fest mehr wird, hat er aufgehört, Alltag zu sein.
Kommt, Freunde, doch auch ihr, meine Feinde: Äufnen und speisen wir den heimlichen Fonds der Resignation aneinander! Er wird verwaltet vom tüchtigsten Ökonomen, den die Welt kennt: vom Tod.
Unter der Hintertreppe der Engel lerne ich: Gewalt bleibt plump, summarisch, Liebe wird zart und genau. Ferner: jene ist unerbittlich, aber bestechlich, diese erbittlich, aber unbestechlich.
Die Kirche des Geistes sind unsere Körper, schrieb der Epileptiker einst nach Korinth (1. Korinther 6.19). Erst später: Kirchen aus Stein.
Gefragt sind "Macher". Wer sich einmal den Ruf eines solchen erwerben konnte, hat alle Chancen, aufzusteigen in den Kreis jener obersten Macher, die gar nichts machen.
Gefragt, weshalb er schreibe, gab er zur Antwort: Weil ich zu faul bin zum, Lesen. Ein Buch, das zu lesen ich Lust haben könnte, schreibe ich mir. Ist es geschrieben, brauch ich's nicht mehr zu lesen.
Erde – Planetchen, auf dem, inmitten der Wahrheit des Alls, gelogen wird.
Leute, die auf uns böse sind, sind deshalb nicht böse Leute, sondern Leute, die auf uns böse sind – was uns selber noch lange nicht gut macht.
Auffällig, daß die biblischen Sprachen für Treue und Glauben nur eine Bezeichnung kennen. Von daher die Wendung "Treu und Glauben" für eine Verläßlichkeit jenseits von Gesetz und Vertrag.
Einen professionellen Schriftsteller kann ich mir nicht vorstellen, bemerkte allerdings Claude Simon, Nobelpreisträger für Literatur, ich jedenfalls bin Amateur.
Gesucht sind Macher. Nötig wären Verhinderer.
Den Abgasen tausend Dank! Sie reichern den Sonnenuntergang mit neuen Farbtönen an.
Die für die Mitwelt gefährlichsten Egoisten sind jene, die nicht einmal sich selbst zu achten, geschweige denn zu lieben vermögen.
Die Ware Weihnacht ist nicht die wahre Weihnacht.
Voyeurismus Voyeurs, elende, die wir an Sterbebetten, aufgewühlt oder kühl, die schrecklichste Vergewaltigung eines Nächsten beäugen, ohne uns der Dreistigkeit zu schämen, weiterzuleben, während er stirbt.
Zweck der Neutronenbombe: die Entmenschung der Städte, Fabriken, Siedlungen. Endlich hat die Zivilisation der Sachwerte den ihr adäquaten Ausdruck gefunden.
Medien Hie und da unbekannte Gesichter, durch die bekannte mich grüßen.
Frauschaft Vermutlich ist die Herrschaft Gottes, wie Jesus sie verkündet hat, mehr Frauschaft als wir bisher denken wollten.
Wie gerne wüßte man mehr vom Tod – weshalb? Etwa, weil wir so wenig vom Leben wissen?
Kann technokratische Disziplin uns vor dem Untergang retten oder ist sie schon dessen Beginn?
Atomgegner – wer ist denn einer? Jener, der Atomkerne zertrümmert, oder der, der eben dies weder tun noch gutheißen will? Man müßte die Atomkerne fragen können.
In früheren Zeit ist Lärm erzeugt worden, um böse Geister von Menschen und Häusern fernzuhalten. Die bösen Geister müssen sich phantastisch vermehrt haben bis heute – anders ist der unablässige Lärm, den wir machen, nicht zu erklären.
Lügen gibt es, die so schön, so phantastisch und spannend sind, daß es jammerschade wäre, wenn sie nicht erzählt worden wären – Triumph der Ästhetik über die Ethik.
Wunsch Daß Gott ein Tätigkeitswort werde.
Klage eines Flüchtlings im Asylland: Wann endlich darf ich sagen, was ich möchte, anstatt immer nur fragen zu müssen, was ich darf?
Was soll der Vorwurf, daß jemand ein gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit habe? Als wäre Wirklichkeit etwas anderes als auch das gestörte Verhältnis mancher zu ihr.
Ikonenmaler beten, bevor sie zu malen beginnen. Wogegen andere zu malen anfangen, weil sie nicht anders beten können als malend. Und nochmals andere malen, ohne an Beten zu denken. Bilder, die nachher sind wie Gebete.
Der Gottesbeweiser nur immer beweist, daß der Bewiesene nicht der zu Beweisende ist.
War möglicherweise alles, ob grandios, ob kläglich, ein einziger Umweg? Und über uns weg eilen leichte Füße die Hintertreppe auf und nieder, während wir im Staub einer Geschichte versinken, die wir für Fortschritt gehalten haben.
Leser: die Société Anonyme eines Autors.